Der angestaubte Branchenslogan lautet „Die Wirtschaftsmacht. Von Nebenan“, aber das Design der Berufe-Checker-Website sieht hip aus und ähnelt den schrillen FDP-Farben: Weiße Buchstaben auf magentafarbenem Hintergrund, ein Video mit dem Hashtag #einfachmachen. Die deutschen Handwerkskammern versuchen sich cool im Netz zu geben, denn sie suchen dringend Nachwuchs.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ lautet häufig das Argument, um geringe Ausbildungsvergütungen, die ausdrücklich nicht dem Mindestlohn unterliegen, zu rechtfertigen. Auch die ungewisse Übernahme gehört oft zur tristen Wahrheit des Azubi-Daseins. Daher erscheint es wenig überraschend, wenn sich Schulabsolventen gegen eine Ausbildung und – sofern sie das Abitur geschafft haben – für ein Studium samt BAföG entscheiden. Insgesamt absolviert nur noch ein Viertel aller Jugendlichen eine Ausbildung. 51 Prozent eines Jahrgangs machen das Abitur, und 77 Prozent der Gymnasiasten streben ein Studium an.
Für das Handwerk ist diese Entwicklung unvorteilhaft: Tausende Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, kleine Betriebe drohen zu schließen. Ob es einen „Akademisierungswahn“ gibt, sei dahingestellt, aber Fakt ist: Ausbildungen werden unattraktiv für junge Menschen. Image-Kampagnen à la Handwerkskammer allein werden die Entwicklung wohl nicht umkehren.
Vielmehr geht es um strukturelle Faktoren, beispielsweise um die Entlohnung. Einige Ausbildungsberufe werden gut bezahlt, darunter fallen Bank- und Versicherungskaufleute, auch Maurer und Mechatroniker. Gleichzeitig werden Friseure, Bäcker und Floristen mit Hungerlöhnen von wenigen hundert Euro abgespeist.
Zudem kommt das Hindernis für Azubis, Auslandserfahrung zu sammeln. Zwar ermöglicht Erasmus Plus es, Betriebspraktika während der Ausbildung in Europa zu absolvieren. Die praktische Umsetzung dürfte jedoch schwierig sein: Ist der Arbeitgeber bereit, das Gehalt weiterzuzahlen und auf eine Vollzeitkraft zu verzichten?
Mit schrillen Magenta-Tönen und coolen Plakaten wird das deutsche Handwerk weiter um Azubis werben. Fragt sich nur, wie lange dies noch nötig sein wird.