Dass ein Gipfeltreffen der zwanzig wichtigsten Industrienationen der Welt in der Theorie innerhalb weniger Tage den Lauf der Dinge beeinflussen kann: unwahrscheinlich, aber möglich. Im globalen Politik-Zirkus, so könnte man es beschreiben, geht es ähnlich zu wie beim Auf und Ab der Gezeiten: Innenpolitischer Alltag und internationale Gespräche wechseln sich in konstanter Regelmäßigkeit ab. Der kürzlich in Hamburg abgehaltene G20-Gipfel könnte indes als organisatorische Springflut Geschichte schreiben.
Zwar fanden bisherige Zusammentreffen der Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen bereits in Großstädten statt, jedoch hat die Wahl des Austragungsortes noch nie so viel Kritik einstecken müssen wie in Hamburg. Der Knackpunkt hierbei: Die Ausrichtung eines internationalen politischen Großevents wird auf nationaler Ebene gesellschaftlich abgelehnt. Bilder des wiederholt brutalen Aufeinandertreffens von Polizei und schwarzem Block haben tagelang die Schlagzeilen dominiert. In Anbetracht der unausgereiften sicherheitstechnischen Gesamtkonzeption gewinnt insbesondere die postum aufgeworfene Frage nach Aufwand und Ertrag des Gipfels an Bedeutung.
Während auf höchster diplomatischer Ebene zwar von wichtigen Erfolgen die Rede ist – speziell im Rahmen der Klima- und Handelspolitik – wird der Widerhall des Gipfels auf die bundesdeutsche Debatte wohl weniger abgeklärt klingen. Linke Gewalt, Verhältnismäßigkeit der Polizeieinsätze, Journalisten, denen die Akkreditierung entzogen wird und die ja geradezu selbstverständliche Frage nach der politischen Verantwortlichkeit für die vermeidbare (?) Eskalation der Lage.
Unter linken Demonstranten, die – anthropologisch konstant – ihrer Systemkritik frönen, sollte ein Umzugs-Titel à la „Welcome to hell“ ähnliche Fluchtgedanken heimsuchen wie Wolfgang Bosbach bei Maischberger. Doch dergestalt setzt nach den Geschehnissen vermutlich kein Lerneffekt ein. Während sich Konservative in Sachen Linksextremismus bestätigt sehen, deuten Linke mit dem Zeigefinger auf die Ordnungskräfte. Anstatt sich durch latente Denkmuster mitreißen zu lassen, könnte es helfen, seinem Gegenüber rechtzeitig Gehör zu schenken, gewissermaßen wider den Sog der Gezeiten bzw. wider den Zeitgeist.