Reich und sexy

Berlin? Ja, Berlin. Diesmal ist keine Rede von einer „Failed Stadt“ (SPIEGEL), noch von einem „Katastrophenregime im Ausnahmezustand“ (WELT). Diesmal nicht.

Denn die Hauptstadt hat 2017 einen Überschuss von 2,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Ein so hohes Plus hat Berlin lange nicht erzielt. Durch die gute Konjunktur und eine solide Finanzplanung nahm der Senat mehr ein, als er ausgab. Das hätten viele Kritiker der „Arm, aber sexy“-Stadt nicht zugetraut. Bätschi! Read More

Hausgemacht

Der angestaubte Branchenslogan lautet „Die Wirtschaftsmacht. Von Nebenan“, aber das Design der Berufe-Checker-Website sieht hip aus und ähnelt den schrillen FDP-Farben: Weiße Buchstaben auf magentafarbenem Hintergrund, ein Video mit dem Hashtag #einfachmachen. Die deutschen Handwerkskammern versuchen sich cool im Netz zu geben, denn sie suchen dringend Nachwuchs. Read More

It’s not just the economy, stupid

Trump, Brexit und der Aufstieg des Populismus“ heißt die Studie der renommierten US-Universität Harvard, in der die Politikwissenschaftler Inglehart und Norris die simple Frage stellen: Wer sind die Wähler rechtspopulistischer Parteien, wirtschaftliche Habenichtse oder kulturell Abgehängte? Was erklärt das Wahlverhalten besser, die Economic Insecurity- oder die Cultural Backlash-These? Read More

Progressive Rentenerhöhungen: Mehr für‘s Geld

Wer als Alleinstehender hierzulande ein Monatseinkommen von weniger als 917 Euro hat, also 60 Prozent des mittleren Bruttoeinkommens, gilt als armutsgefährdet. Auffallend oft betroffen sind laut Paritätischem Wohlfahrtsverband neben Arbeitslosen, Alleinerziehenden, Ausländern und Geringqualifizierten die Rentner, von denen 15,9 Prozent im Jahr 2015 in diese untere Kategorie fielen. Bundesweit lag die relative Armutsquote 2015 bei 15,7 Prozent, demnach sind Rentner im Vergleich leicht überdurchschnittlich arm. Doch das müsste nicht sein.

Analog zur progressiv gestalteten Einkommenssteuer, bei der Geringverdiener anteilig weniger als Besserverdiener zahlen, könnten die jährlichen Rentenanpassungen für Niedrigrentner höher als für andere Bezieher ausfallen, ohne dass unter dem Strich mehr Geld aus der Staatskasse fällig würde. Eine sinnvollere Verteilung der Gelder könnte für eine Senkung der Armutsquote sorgen – und nicht unbedingt eine Steigerung der Sozialausgaben. Doch bislang ist das Gießkannen-Prinzip mit mehr Rente für alle, einzig unterschieden nach Ost- und Westdeutschland, gängige Praxis: 2016 gab es im Westen ein Plus von 4,25 bzw. 5,95 Prozent im Osten, 2017 werden es voraussichtlich um die zwei Prozent sein. Darüber freuen sich die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland, allerdings trägt die Anpassung nicht zur gezielten Reduzierung von Armut in den unteren Einkommensschichten bei. Die Kosten einer flächendeckenden Rentenerhöhung sind für den Staat dennoch langfristig enorm.

Der Schlüssel für mehr Rentengerechtigkeit liegt nicht in der pauschalen Erhöhung von Staatsausgaben, sondern in der zielgerichteten Erhöhung der Bezüge wirklich sozial Bedürftiger: Darunter fallen Menschen mit Erwerbsminderung, Niedrigrentner und Ältere, die staatliche Grundsicherung auf Hartz IV-Niveau beziehen, also letztendlich alle, die unter oder nahe der 60 Prozent-Armutsschwelle von 917 Euro leben. Bevor dies geschieht, wird der Paritätische Wohlfahrtsverband wohl weitere Rekorde bei der Armutsquote verkünden können.

Ein Neubeginn

Brasiliens Politik-Novela geht weiter

Das Amtenthebungsverfahren von Noch-Präsidentin Dilma Rousseff hat internationale Schlagzeilen gemacht, jetzt ist der Oberste Gerichtshof gegen ihren politischen Gegenspieler im Parlament vorgegangen. „Ich werde nicht vor ihr fallen“, sagte der 57-jährige Eduardo Cunha im Oktober 2015, allerdings: Er hat sich geirrt. Das Verfassungsgericht suspendierte einstimmig das Mandat des Abgeordneten. Damit verliert er auch den Vorsitz der Abgeordnetenkammer.

Der 57-jährige Politiker soll fünf Millionen Dollar an Bestechungsgeldern aus dem Petrobras-Skandal erhalten haben. Der Vize-Präsident Waldir Maranhão übernimmt nun vorübergehend das Amt, um Neuwahlen im Parlament vorzubereiten. Auch ihm wird Korruption im Fall Petrobras vorgeworfen.

Politische Brisanz birgt das Urteil, weil Cunha als politischer Rivale Rousseffs das Impeachment-Verfahren erst ins Rollen gebracht hatte. Der Vorwurf: Die Präsidentin habe systematisch staatliche Banken benutzt, um Agrarsubventionen und Sozialausgaben in Millionenhöhe zu zahlen – Geld, das im Haushalt fehlte. Die Schulden wurden erst Monate später zurückgezahlt. Dies sei laut brasilianischem Gesetz illegal.

Doch das Verfahren besitzt auch eine politische Komponente. Der Versuch, Rousseff aus dem Amt zu jagen, gilt als strategischer Schachzug des konservativen PMDB-Politikers Cunha. Das Ziel: Seine Partei soll die 13-jährige Koalition mit der Arbeiterpartei PT verlassen. Inzwischen ist die Koalition zerbrochen, und der Vize-Präsident Michel Temer bereitet sein Schattenkabinett vor. Mit dabei sind hochrangige Politiker der konservativ-sozialdemokratischen PSDB, etwa José Serra als designierter Außenminister.

Es gilt als sicher, dass Rousseff für mindestens sechs Monate aus ihrem Amt fliegt. Der Vize-Präsident übernimmt solange die Amtsgeschäfte, bis der Senat über das endgültige politische Schicksal der Präsidentin entschieden hat. Doch feststeht, dass die unbeliebte Präsidentin schlechte Karten hat, im Amt zu bleiben. Die Politik-Novela um Korruption, Macht und Einfluss geht weiter.

Der Gigant ist erwacht – und in der Krise

Bis zu zwei Millionen Brasilianer sind am 15. März gegen die Mitte-Links-Regierung von Dilma Rousseff auf die Straße gegangen. Die Demonstrationen in Brasilien verliefen, anders als im Juni 2013, überwiegend friedlich. Das Land erlebt derzeit heftige Turbulenzen. Die Wirtschaft steckt in der Rezession, die Inflation liegt bei über acht Prozent, die Währung verliert täglich an Wert, und der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras steckt im schwersten Korruptionsskandal seit seiner Gründung 1953. Read More