Der Ton macht die Musik

Rhetorische Finesse, würdevolles Auftreten, Demut: Die Ansprüche an (demokratische) Staatsoberhäupter und Regierungschefs sind im 21. Jahrhundert mitnichten gesunken. Ganz im Gegenteil scheint das Amt des Präsidenten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung weiterhin übermenschliche Fähigkeiten vorauszusetzen. Trotz Aufklärung, Säkularisierung, Industrieller Revolution und Siegeszug der exakten Wissenschaften haftet dem Posten des Staatslenkers ein im gesellschaftlichen Mainstream längst verdrängt geglaubter Mythos an: Als Repräsentant seiner Nation umweht ihn ein postroyaler Souveränitätshauch, der einst weltliche und göttliche Macht zu vereinen trachtete.

Während die Herausforderungen in einem sich stetig verkomplizierenden globalen Umfeld exponentiell anwachsen, überraschen Wahlergebnisse interkontinental Demoskopen wie Wähler, mal mit entwaffnender Schlichtheit, mal mit unerwarteter Besonnenheit. Weder gestandene Parteikader noch jahrzehntelange Vorkämpfer der guten Sache können sich heutzutage auf den Volkswillen verlassen. Zwar mag ein Trump im Zweifelsfalle von den letzten Nachwehen des „American Dream“ profitiert haben, aber seine jüngsten Auftritte – von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem über die Audienz bei Papst Franziskus bis zum Auftritt beim NATO-Gipfel in Brüssel – zeigen im Kontrast zu seinem Vorgänger Obama, wie man sich in einem Porzellanladen möglichst nicht verhält.

Nahezu halb so alt wie sein amerikanisches Pendant ist der neue französische Präsident Emmanuel Macron. Damit steht er in einer Reihe mit dem Shootingstar der kanadischen Politikszene, Justin Trudeau, der sich volksnah gibt und wie ein Popstar wirkt. Macron hingegen schlägt zu Beginn seiner Amtszeit andere Töne an: vorbei die Zeiten täglicher Fernsehauftritte, angesagt sind Distanz und Würde gegenüber dem Volk(ssouverän) trotz Kickboxens zum Fitbleiben.

Matteo Renzi stand am Anfang dieser Welle „kleiner Kennedys“ und drängt nach temporärer Bruchlandung zurück an die politische Spitze Italiens. Diese junge ebenso ambitionierte wie unideologische Politiker-Generation widerspricht dem „Hans Guck-in-die-Luft“-Typus eines Trump. Letztlich sollte ein Mindestmaß an gesellschaftspolitischer und internationaler Sensibilität gepaart mit konsequenter Achtung der Menschenwürde nirgendwo zu „Kurz“ kommen.

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