Ach Weltschmerz
In Europa stemmt sich die EU gegen ihre bisher größte Identitätskrise. Populisten versuchen an Wählerstimmen zu gelangen, indem sie politische Zusammenhänge vereinfachen, gern auch verfälschen und sich als große Heilsbringer in Szene setzen. Überdies spielt jenen selbsternannten Rückeroberern nationaler Stärke in die Karten, dass sich einige Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn im Clinch mit der EU um die Rückeroberung nationalstaatlicher Prärogativen befinden – Abbau westlicher Demokratie-Standards eingeschlossen.
Ein paar Flugstunden entfernt, auf der anderen Seite des großen Teichs, wütet ein von führenden Meteorologen einhellig als launisch charakterisierter Orkan scheinbar ziellos von Washington aus durch die unendlichen Weiten der Vereinigten Staaten, allein um seine Botschaft vom heruntergewirtschafteten Amerika unmissverständlich auf allen internetfähigen Endgeräten zu platzieren. Trump gegen alle. Fake News inklusive. Sein Motto: Isolieren oder verlieren.
Jean Paul, ein deutscher Schriftsteller an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert, prägte einst den Begriff des Weltschmerzes. Diesen beschrieb er als ein Gefühl der Trauer und bitter empfundener Melancholie ausgehend von der eigenen Unzulänglichkeit, die selbst Teil der Unzulänglichkeit des Irdischen und der bestehenden Verhältnisse ist. Damit einher geht ein alles begleitender Kulturpessimismus, an dessen Ende Resignation steht. Viel treffender können die Ursprünge der dieser Tage für so viele gesellschaftliche Probleme als Allzweckwaffe hinhaltenden Politikverdrossenheit nicht beschrieben werden. Gefühle über(trump)fen oftmals den Verstand.
Denn in der Politik gilt wie im Privaten: nicht das per se bessere Argument gewinnt, sondern das besser präsentierte. Die Bürger mit Leib und Seele vom Richtigen zu überzeugen, das muss es sein. Stemmen wir uns mit den Schulzs, Macrons und Van der Bellens gegen die Petrys, Le Pens und Hofers. Für eine offene, pluralistische europäische Gesellschaft und gegen nihilistischen Weltschmerz.